Der
Lehrter Stadtbahnhof wurde zusammen mit der Berliner Stadtbahn bis 1882
errichtet. Im Gegensatz zum 1951 stillgelegten und 1957 abgerissenen
Lehrter Bahnhof von 1871 blieb der Stadtbahnhof in praktisch
unveränderter Form in Betrieb. Dieser von 1949 bis 1990 direkt an
der Staatsgrenze – nach westlicher Lesart an der
Sektorengrenze zum sowjetischen Sektor Berlins – liegende Bahnhof hatte
durch seine besondere
Lage eine herausragende Bedeutung in Berlin.
1987 zum 750jährigen Stadtjubiläum wurde der
denkmalgeschützte Bahnhof grundlegend saniert. Seinerzeit konnte
noch niemand ahnen, was nur 15 Jahre später mit diesem Baudenkmal
geschehen sollte.
Im Juni 2002 begann der Abriss dieses
geschichtsträchtigen Bahnhofes, da unterhalb des alten Lehrter
Stadtbahnhofes die
neue Nord-Süd-Eisenbahnverbindung vorgesehen und an
Stelle der Bahnsteighalle die Fundamente der Bügelbauten des
vom Architekten von Gerkan geplanten Bahnhofsbaues geplant waren.
In 11 Bildern möchte ich ein einige Eindrücke vom
Lehrter Bahnhof aus der Zeit von 1990 bis Juli 2006 zeigen.

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Diese Aufnahme
vom Juli 1995
zeigt die Proportionen des
Lehrter Stadtbahnhofs sehr anschaulich.
Die Aufnahme entstand von einem der Sandhaufen im Bereich des
ehemaligen Mauerstreifens. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war der
Reichstag von Christo und Jean Claude verhüllt, so dass sich
zahlreiche Touristen auf den Hügeln tummelten.
Nur ein Fotograf fotografierte in die andere Richtung und hielt
ausfahrende S-Bahnen – hier ein 477 noch im "Hauptstadtanstrich" – im
Bild fest...
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An
der
Brücke über den Humboldthafen hat wohl jeder Eisenbahnfreund
auf
Berlin-Tour mindestens einmal gestanden.
Neben den Fernzügen – welche hier zwischen 1994 und 1998 nicht
verkehrten – war auf den S-Bahngleisen immer mächtig Betrieb.
So auch hier im September 1997, als dieser Vollzug der Baureihe 475/875
über den Humboldthafen fährt. An zweiter Stelle im Zugverband
läuft ein im 1992 endgültig aufgegebenem
rot/ocker-Anstrich lackierter Viertelzug.
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Bis
zum absehbaren Baubeginn für die neuen
Tunnelanlagen rund um den Lehrter Stadtbahnhof lagen im Humboldthafen
zahlreiche Museumsschiffe.
Im Oktober 1992 passiert ein Vollzug aus der Baureihe 475 die
Brücke über den Humboldthafen, direkt am Lehrter Stadtbahnhof
gelegen. Im Hintergrund liegt der Reichstag, den heute wieder ein
Kuppelbau prägt.
Wer heute an dieser Stelle steht, wird die Stelle nicht wiedererkennen.
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Gleich
nach der
Maueröffnung erhielt die BVG, welche die S-Bahn im
Westen seit
1984 betrieb, von der Reichsbahn mehrere Viertelzüge der
Baureihe 275 zur Verfügung gestellt, um die Halbzüge auf der
Stadtbahn zu Vollzügen verstärken zu können.
Nachdem sich Anfang 1990 der erste Run gelegt hatte, wurden die
Züge zurückgegeben. Im Frühjahr 1990 wurden die
Leiheinsätze wieder aufgenommen – nun um
Dreiviertelzüge zu bilden. So kam zwischen den BVG-Zügen nur
noch ein
"Passviertel" der Reichsbahn zum Einsatz.
Hier erreicht ein solcher Zug im Mai 1990 den Lehrter Stadtbahnhof,
während links im Bild ein Doppelpack der Baureihe 132 in Richtung
Friedrichstraße fährt.
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Im
Juni 2002 hatte sich die Szenerie an gleicher Stelle wesentlich
verändert.
Die Stadtbahner der Reihe 475/875 sind längst von den Gleisen
verschwunden, die Fernbahn ist elektrifiziert – und
der neue Lehrter Bahnhof befindet
sich kurz
vor der
Inbetriebnahme. Die Stahlbögen sind gesetzt, die Verglasung
läuft auf Hochtouren.
Währenddessen passiert ein neues Highlight der Berliner S-Bahn die
zur Schaustelle gewordene Baustelle:
Die 1999 in Dienst gestellte Panorama-S-Bahn. Unter Nutzung diverser
Bauteile der Baureihen 477 und 481 entstand ein Neubauzug, dessen
Kopfpartie bewusst an die alten Berliner Formen erinnert.
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Im
August 2001,
rund ein Jahr vor Stillegung und Abriss des alten Lehrter
Stadtbahnhofs, entstand diese Aufnahme eines ausfahrenden 481 in neuer,
alter Lackierung und DB-Signet auf der Frontpartie.
Die Graffiti-Sprayer verschonten auch dieses Bauwerk nicht mit ihren
Malereien. Neben neuen Graffitos zeugen diverse Farbreste auf den
Fensterstreben von notdürftig beseitigten Farbschmierereien.
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"Rückschüsse"
gehören bei Eisenbahnfotografen zu den eher verpönten
Arten von Fotografien.
Aber hin und wieder lässt sich so etwas nicht ganz vermeiden,
gerade, wenn man bestimmte Dinge fotografisch verbinden will.
Wie hier im Juni 2002 kurz vor Stillegung und Abriss des alten
Lehrter Stadtbahnhofs.
Der Aufbau der Stahlbögen der neuen
Bahnhofshalle begann im Januar 2002, so dass neue und alte
Halle des "Lehrter Bahnhofs" nur kurzzeitig nebeneinander zu
fotografieren waren.
Hier steht ein auf der S9 fahrender 477-Vollzug zur Abfahrt nach
Flughafen Schönefeld bereit. Die Halle des neues Bahnhof ist
bereits weitgehend verglast.
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Im
September
1992 hatten die Bauarbeiten für die neuen Eisenbahnanlagen noch
nicht begonnen, als am Lehrter Stadtbahnhof ein 477 auf der Fahrt nach
Erkner hielt – interessant die nur kurzzeitig in dieser Form
vorhandene Zugbeschilderung mit "Krueger-Rolle" und Zuggruppenschild.
Wenn man heute nur wenige Meter weiter südlich auf dem neuen
S-Bahnsteig steht, so sieht es völlig anders aus.
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Im
Vergleich zum vorherigen Foto unterscheiden sich die
beiden Fotostandorte lediglich um wenige Meter voneinander.
Die Wirkung der Aufnahme zeigt deutlicher wie es kaum gehen kann,
die Veränderungen der letzten 10 Jahre.
Aus einem kleinen verträumten Bahnhof direkt an der Grenze
zwischen zwei deutschen Staaten, zugleich der Schnittstelle zweier
total gegensätzlicher politischer Systeme mit all den damit
verbundenen Spannungen ist
einer
der größten Bahnhofsbauten Europas geworden.
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Fast
genau elf Jahre nach der ersten Aufnahme
dieser Galerie entstand am 27.
Mai 2006, dem Eröffnungstag des neuen Lehrter Bahnhofs – nun
Berlin Hauptbahnhof genannt, diese Aufnahme.
Die Standorte der beiden Aufnahmen unterscheiden sich nur um wenige
Meter, zeigen aber wie gründlich rund um den alten Lehrter Bahnhof
und den Humboldthafen die Baulichkeiten verändert wurden.
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Nach
Abschluss von über 10 Jahren Bautätigkeit rund um den Lehrter
Bahnhof steht Berlins neuer Hauptbahnhof – von nicht wenigen
immer noch Lehrter Bahnhof genannt – nun am Humboldthafen in
unmittelbarer Nähe des Regierungsviertels.
Noch erinnert das Gebiet in weiten Bereichen eher an eine Einöde,
als an das Umfeld eines klassischen Hauptbahnhofes im Herzen einer
Stadt. Dieses wird
sich in nicht allzu ferner Zeit ändern und dieses im Juli
2006
entstandene Motiv zur Vergangenheit machen.
12 Jahre zuvor sah es hier noch so aus. Eine Reise
zwischen den Extremen geht zu Ende. |
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