In den ersten Wochen und Monaten nach der Wende ging es turbulent zu. Nicht nur politisch, auch verkehrstechnisch. In Berlin verkehrten wie nach dem Mauerbau 1961 zahlreiche Busse anderer Verkehrsbetriebe als Hilfe – diesmal aber nicht für den S-Bahnboykott, sondern um die sprunghaft angestiegenen Fahrgastzahlen im Westen Berlins bewältigen zu können. Auch bei der Eisenbahn waren neue Zeiten angebrochen – der Nahverkehr über die innerdeutsche Grenze bot noch einmal alles auf, was fahren konnte.
Für den 5. Mai 1990 war eine Besichtigung des Raw Schöneweide ausgeschrieben worden, ein bisher nicht nur für den "West-Bürger" nicht erreichbares Werk. Die Berliner S-Bahn hatte speziell für den "West-Bürger" seit dem Mauerbau ein fast mystisches Dasein, bestand der Fahrzeugpark doch durchweg noch aus Vorkriegsfahrzeugen, die zum Teil abenteuerliche Geschichten hatten. Bis 1984 wickelte die Deutsche Reichsbahn auch den S-Bahn-Betrieb im Westteil Berlins ab.
Eine Besichtigung des Reichsbahnausbesserungswerks war eine Reise in eine bis dahin geheimnisumwitterte Welt. Als besondere Attraktion war die Anreise mit dem S-Bahnmuseumszug ab Wannsee vorgesehen, die Reise ging damit über die ausschließlich zu innerbetrieblichen Überführungen zwischen Ost- und Westnetz genutzte Verbindung über Gleis 2 im Bf Friedrichstraße, bis November 1989 Hochsicherheitsbahnhof und Schleuse zwischen Ost und West. Nach einer Nachtzugreise war in aller Frühe Berlin erreicht und die Reise in damals völlig neue Welten begann.

BR 275 im Bf Wannsee

Bereits am 10. November 1989 erhielt die BVG Wagenhilfe durch die Deutsche Reichsbahn – welche zahlreiche Stadtbahnviertelzüge der BVG zur Verfügung stellte, um die Züge der S3 zwischen Wannsee und Friedrichstraße auf Vollzuglänge bringen zu können.
Der BVG-Bestand reichte gerade für das betriebene Westnetz aus und konnte keinesfalls die nun plötzlich auf die "Insel Westberlin" einströmenden Fahrgastmassen bewältigen. Nach dem ersten Run waren zwischenzeitlich die Reichsbahn-Viertel wieder zurückgegeben worden. Anfang Mai 1990 wurde die Wagenhilfe jedoch wieder aufgenommen und jeweils ein Reichsbahnviertelzug zwischen die BVG-Züge gekuppelt. An der Spitze konnten die Züge damals im Westnetz nicht verkehren, da die Aufsichten der BVG keine Funkgeräte der Reichsbahn besaßen. Dieses wurde im Juli 1990 geändert, seitdem fuhren die Züge der Reichsbahn durchgehend in den Westen und die Wagenhilfe an die BVG war Geschichte. Hier verlässt der 275 037 den Bf Wannsee auf der Fahrt nach Friedrichstraße mit zwischengekuppelten "Passviertel".
175 019 im Bf Wannsee

Der S-Bahn-Museumszug der Deutschen Reichsbahn hatte inzwischen den Bf Wannsee erreicht und wurde vom Fernbahnsteig ausgiebig betrachtet und fotografiert. Dabei ging es fast unter, dass sich aus Richtung Osten ein weiterer historischer Zug näherte – der VT 18.16 der DR näherte sich, die Antwort der DR zu den Luxusfernzügen der 1950er und 1960er Jahre. Der Fünfteiler aus den Triebwagen 175 014/019 war der letzte betriebsfähige Vertreter seiner Bauart und wurde noch bis 2003 für Sonderfahrten eingesetzt. Entsprechend des überraschenden Auftauchens blieb leider keine Zeit mehr für ein passendes Motiv und der Lampenmast sprang leider auch nicht zur Seite.
118 548 im Bf Wannsee

Mit den neuen Zeiten waren auch die Zeiten des Regierungszuges und seiner speziellen Lokomotiven abgelaufen. Die Loks des Regierungszuges erfreuten sich besonderer Pflege und waren kaum im normalen Zugdienst eingesetzt. Die Loks wurden nach der Wende bevorzugt vor den Pendelzügen im Nahverkehr zwischen Wannsee und Postdam Stadt eingesetzt. Hier die 118 548 vor einem Doppelstockwendezug im Bf Wannsee.
Die 118 548 wurde einige Jahre später verkauft und verunglückte Ende November 2000 von der EBGO eingesetzt im Bf Haspelmoor, nachdem ein Halt zeigendes Signal überfahren wurde und bei der späteren Aufklärung haarsträubende Mängel an Lok und Zug festgestellt wurden. Die Lok wurde mit schweren Rahmenschäden abgestellt und soll zu einem unbekannten Zeitpunkt im Eisenbahnmuseum Prora ausgestellt werden, die EBGO wurde anschließend liquidiert.

BR 275 und esT 3662 im Bf Friedrichstraße

Das Highlight der Fahrt war die Fahrt über die im Mai 1990 noch bestehende Staatsgrenze, einschließlich aller Zollkontrollen – da die Währungsunion erst am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Das Gleis 2 in Friedrichstraße diente im S-Bahnverkehr ausschließlich zwischen den beiden S-Bahnnetzen ggf. erforderlichen Überführungen und war seit 1984 und der Übernahme des S-Bahnverkehrs in West-Berlin durch die BVG kaum noch genutzt worden. Über dieses Gleis kamen am 10. November 1989 umkompliziert Stadtbahner der Deutschen Reichsbahn in das Westnetz, wo die Fahrzeuge als "Paßviertel" zwischen BVG-Züge gekuppelt wurden. Die Zugsteuerung war trotz Netztrennung stets kompatibel geblieben.
Unser Sonderzug verkehrte entsprechend über diese Verbindung, nach Halt am Bahnsteig sprangen natürlich gleich Fotografen aus dem Zug – für die Grenzorgane ein höchst verwirrendes Geschehen, welchem sie rasch Einhalt gaben, ein Rest Authorität musste dann noch sein. Bis zur Grenzöffnung 1989 war der weiße Streifen auf dem Bahnsteig ein Heiligtum, welcher zum Einsteigen erst übertreten werden durfte, wenn die Grenzorgane ihre Zustimmung gaben und der Zug "sauber" war.
Die Halle des östlichen S-Bahnnetzes war durch hohe Stahlwände abgeschottet, nachdem die hier lange vorhandenen halbhohen Drahtglaswände zu Fluchtversuchen genutzt wurden. Bis zum durchgehenden S-Bahnbetrieb ab dem 2. Juli 1990 war der Betrieb auf dem Bahnhof Friedrichstraße eigentlich permanent im Ausnahmezustand, zumal die BVG im Westnetz keinen dichten Betrieb fahren konnte.

BR 423 im Bf Friedrichstraße

Fast 20 Jahre später hatte sich die Szenerie völlig verändert. Der Bf Friedrichstraße wurde ab 1994 vollständig entkernt und neu aufgebaut, dabei wurden die Gleise 3 und 4 dem Fern- und Regionalverkehr zurückgegeben – die Stromschiene an Gleis 2 war bereits im Juli 1990 Vergangenheit. Bei der S-Bahn wurde praktisch der gesamte Fahrzeugbestand ausgetauscht, von der Deutschen Reichsbahn ging es via Deutsche Bahn AG 1995 zur S-Bahn Berlin GmbH.
Nachdem zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Pläne konkret wurden, das Aktienunternehmen Deutsche Bahn an die Börse zu bringen – während zeitgleich mit Thilo Sarrazin ein DB-Vorstand als Finanzsenator
zum Berliner Senat wechselte und die Bestellentgelte an die S-Bahn sofort deutlich einkürzte – wurden bei der S-Bahn Berlin radikale Umstellungen und Kürzungen vorgenommen, welche innerhalb weniger Jahre aus einem einst vorbildlichen Betrieb ein Unternehmen machte, welches kurz vor dem Entzug der Betriebsgenehmigung stand und über Monate nur noch einen Bruchteil seines Fuhrparks einsetzen konnte – und auch heute noch in jeder Zelle aus dem letzten Loch pfeift.
Am 14. Februar 2010
half der von der S-Bahn Stuttgart ausgeliehene 423 033/533 bei der Berliner S-Bahn aus, indem er mit weiteren Zügen der Baureihe zwischen den Bahnhöfen Potsdam Hbf und Ostbahnhof pendelte. So ändern sich die Zeiten...

esT 2303 und 278 105 im Raw Schöneweide

Bei Ankunft im Raw Schöneweide stand der frisch hauptuntersuchte 278 105 neben dem Museumszug esT 2303. Der 278 105 war früher der ET 168 043 und wurde 1963 nach dem Mauerbau für innerbetriebliche Zwecke umgebaut, diente zunächst als Materialzug und wurde später zu einem Schlepptriebwagen für das Raw Schöneweide umgebaut. Im Mai 1990 war am Zug soeben die Hauptuntersuchung abgeschlossen und der Triebwagen strahlt frisch – analog den Neubaufahrzeugen der BR 270 lackiert – in der Sonne.

esT 2303 und esT 3662 im Raw Schöneweide

Rund um die Wendezeit waren von fast allen Bauarten der Berliner S-Bahn noch mehr oder weniger vollständig erhaltene Fahrzeuge vorhanden. Die Deutsche Reichsbahn hatte 1984 mit dem Aufbau eines echten Museumszuges im Zustand 1928 begonnen, welcher 1987 zum 750. Stadtjubiläum Berlins fertiggestellt sein sollte. Ausgewählt wurde der bis 1980 vornehmlich im Westen Berlins auf der Stichstrecke nach Düppel eingesetzte 275 659/660, welcher nie eine grundlegende Modernisierung des Innenraums erhalten hatte. Viele Originalteile musste rekonstriert werden, die Ausstattung der 2. Klasse neu angefertigt. Seit 1987 stand der Zug im Osten Berlins für Sonderfahrten bereit.
Die Deutsche Reichsbahn dachte jedoch weiter und wollte neben einem Steuerviertel auch ein Beiwagenviertel im entsprechenden Zustand herrichten und wählte dafür den 275 815/816 aus. Dieses Fahrzeug wurde im Innenraum jedoch nur teilweise in den Originalzustand versetzt, unter anderem fehlt die Polsterausstattung der 2. Klasse. Äußerlich gab dieser Halbzug eine Augenweide ab, welcher danach einige Jahre kaum zusammen eingesetzt wurde. Nach Gründung der Historischen S-Bahn in Berlin und Einbindung des Vereins in den Betrieb auch des Museumszuges kamen die Züge bis 2006 oft gemeinsam zum Einsatz. Weitere Informationen zum Museumszug esT 2303/5447 finden sich bei
Stadtschnellbahn Berlin.

KT4D 218 320 im Raw Schöneweide

Das Raw Schöneweide hatte neben den Fahrzeugen der Berliner U-Bahn auch die Straßenbahnen der BVB instandzuhalten, es zeichnete ebenso für den Bau und die Instandhaltung der Straßenbahn-Rekowagen und einzelner weiterer Bauarten verantwortlich. Der KT4D 219 320 kam 1987 aus Leipzig und gehört zu den Nullserienwagen der KT4D. Der Wagen wurde 1997 wieder an Leipzig zurückgegeben, wo er als historisches Fahrzeug 1308 restauriert wurde – seit Ende 2011 ist das Fahrzeug mit Fristablauf abgestellt.
Links sind abgestellt die deutlich von der Serienform abweichenden Probewagen der Bauart Bmh zu sehen, welche ebenfalls in Schöneweide entstanden – der Serienbau erfolgte später in Halberstadt.

102 060 im Raw Schöneweide

Der EIII/4 102 060 gehörte zur zweiten Umbauserie ehemaliger S-Bahnzüge zu U-Bahnen. Während die erste Umbauserie aus ehemaligen ET/EB 168 entstand – dessen Rahmen angepasst tatsächlich weiter verwendet wurden – waren bei der zweiten Umbauserie 1966-68 ehemalige ET 169 Spender, deren Rahmen aufgrund ihrer abweichenden Maße nicht mehr verwendbar waren. Diese und alle weiteren Fahrzeugrahmen und -aufbauten waren fortan echte Neubauten. Lediglich die elektrische Ausrüstung und die Drehgestelle wurden von der Berliner S-Bahn übernommen. Hier wartet der früher als 1464 numerierte Triebwagen noch auf seine Drehgestelle, während der Wagenkasten bereits fertig aufgearbeitet ist. Nicht einmal vier Jahre später wird das Fahrzeug ausgemustert und verschrottet sein.

125 444 im Raw Schöneweide

Im Mai 1990 lief die Fertigung der letzten Serie der Bauart EIII im Raw Schöneweide auf Hochtouren. In Anbetracht der in Auslieferung befindlichen Neubauzüge der BR 270 wurden ab 1990 nochmals zahlreiche jetzt überzählige S-Bahnwagen zu U-Bahnwagen EIII/5 umgebaut, welche in technisch modernisierter Form hergestellt wurden.
Hier ist vor dem AI-Triebwagen 125 444 ein im Bau befindlicher Rahmen eines EIII/5 zu sehen. Alt wurde das Neubaufahrzeug nicht, im Juli 1994 – nur rund vier Jahre nach dieser Aufnahme – wurden die letzten EIII-Züge bei der BVG verabschiedet und anschließend verschrottet.
Bis zum im November 1993 erfolgten Lückenschluss der Berliner U-Bahn mussten einzelne AI-Triebwagen noch für Überführungsfahrten umgerüstet sein, da die Kleinprofillinie A keine eigene Werkstatt besaß und die Fahrzeuge im Großprofil in der U-Bahn-Werkstatt Friedrichsfelde gewartet werden mussten. Der 125 444 erhielt am anderen Wagenende eine für die Bauart GI passende Kupplung und konnte über diese im Großprofilnetz die Fahrzeuge mit dem nötigen Fahrstrom versorgen und über eine improvisierte Bedieneinrichtung auch steuern. D
er AI-Triebwagen war vor diesem Umbau kurzzeitig als Rangiertriebwagen im Einsatz und wurde schließlich 1995 verschrottet. Umfangreiche Informationen zu den Stromwagen der Berliner U-Bahn und weiteren Arbeitsfahrzeugen gibt es auf den Berliner Verkehrsseiten.

GI 135 840 im Raw Schöneweide

Der GI 135 840 (später Tw 412/413) wurde hier gerade hauptuntersucht. Er wurde 1981 in Hennigsdorf gebaut – die GI wurden im Gegensatz zur zweiten Serie, den GI/1, von der BVG rasch abgestellt und 1996 nach Nord-Korea/Pjöngjang verkauft, wo die Fahrzeuge teilweise mit Dachstromabnehmer im Stadtverkehr eingesetzt wurden. Dahinter ein in T7 befindlicher, bereits sandgestrahlter Wagen der BR 277.

Rekowagen als Arbeitswagen im Umbau

Die Rekowagen sind wohl jedem Straßenbahnfreund ein Begriff. Die Wagen wurden im Raw Schöneweide gebaut, nachdem ein RGW-Beschluss den Neubau von Straßenbahnwagen in der DDR nicht mehr vorsah. Nach einigen CKD-Lizenzbauten der Gothawagen übernahm das Raw Schöneweide zwischen den Jahren 1959 und 1975 den Umbau von alten Straßenbahnfahrzeugen, wobei die Fahrzeuge faktisch alle Nebau waren und nur ihre Nummer dem neuen Fahrzeug spendeten. Die Rekowagen waren einfachste Bauform und besaßen kein Fahrgestell, die Achsen waren via Achsgabeln direkt mit den Wagenkästen verbunden – die etwas härtere Art Straßenbahn zu fahren...
Noch 1990 wurden nach der üblichen Schöneweider Gründlichkeit zahlreiche Rekowagen generalüberholt und zunehmend zu Arbeitsfahrzeugen umgebaut – so auch dieser Triebwagen, dessen Zielschild- und Linienschildkästen und die hintere Tür bereits mit Blech verschlossen sind. In Berlin endete der Rekowageneinsatz im Mai 1996.

279 001 im Raw Schöneweide

Ebenso aus der Schöneweider Schmiede stammen die Triebwagen der Kleinbahn Buckow – Müncheberg, welche 1981 nach Rekoart aus den alten HAWA-Triebwagen der elektrischen Ursprungsausrüstung von 1930 entstanden. Hier der 279 001 als letzter noch in der alten Berliner S-Bahnfarbe lackierter Triebwagen in Hauptuntersuchung T6.

279 001 im Raw Schöneweide

Der 279 001 kam noch bis Ende Mai 1993 auf der Buckower Kleinbahn zum Einsatz, ehe die Strecke zunächst auf Dieselbetrieb umgestellt und im September 1998 letztmals von der DB bedient wurde. Die Schwesterfahrzeuge 279 003 und 005 kommen mit ihren Steuerwagen seit September 2002 auf der als elektrische Museumsbahn wieder in Betrieb genommenen Strecke Buckow – Müncheberg zum Einsatz. Da in Buckow nur zwei Triebwagen mit ihren jeweiligen Steuerwagen unter Dach stehen können, steht der 279 001/002 seit 1993 fast ständig unter freiem Himmel und zeigt sich heute stark renovierungsbedürftig.

277 201 im Raw Schöneweide

Seit den 1970er Jahren wurden die Fahrzeuge der BR 277 umfassend modernisiert, sie verloren bei dieser Modernisierung auch die typischen, bei den Bankier- und Olympiazügen erstmals eingeführten runden Frontpartien. Da mit dieser Modernisierung auch ein Ersatz der Drehgestelle durch neukonstruierte Drehgestelle verbunden wardiese in den 1980er Jahren vom Raw Meiningen aber nicht mehr geliefert werden konnten – verblieben 13 nicht modernisierte Züge der BR 277, welche weiterhin im Einsatz blieben. 277 201 weilte im Mai 1990 zur turnusmäßigen Zwischenuntersuchung in Schöneweide. Bereits ein Jahr später waren alle verbliebenen unmodernisierten 277 aufgrund des nach der Wende entstandenen Fahrzeugüberhangs abgestellt und wurden einige Zeit später verschrottet.

Br 277 im Raw Schöneweide

Noch lange wurden die modernisierten 277 voll unterhalten, wobei die Fahrzeuge regelmäßig einer Grundüberholung T7 unterzogen wurden, bei der das Fahrzeug komplett auseinandergenommen, gesandstrahlt und schadhafte Bleche erneuert wurden. Die Inneneinrichtung wurde während derweil fabrikneu aufgearbeitet. Das Raw Schöneweide verließ anschließend ein neuwertig erscheinendes Fahrzeug. Heute sind derartige Fahrzeugaufarbeitungen völlig fremd – bei Hauptuntersuchungen nach der EBO werden in der Regel nur noch die technisch erforderlichen Arbeiten vorgenommen. Innenraumaufarbeitungen sind groß gefeierte Redesigns, oft vom Aufgabenträger großzügig gefördert.

277 288 im Raw Schöneweide

Nach Durchlauf aller "Bänder" stehen die fertig aufgearbeiteten Fahrzeuge zur Abnahme bereit. Hier steht der Beiwagen 277 288 noch vom Triebwagen getrennt. Die 1984 im Osten Berlins eingeführte und bis 1987 weitgehend umgesetzte "Hauptstadtfarbgebung" wurde im Oktober 1990 wieder von der traditionellen Berliner S-Bahnfarbe abgelöst, die 1992 durch hellere Farbtöne in gleicher Gestaltung modernisiert wurde.

Abnahmegleis Raw Schöneweide

Zwei Züge der BR 277 und ein Zug der Bauart EIII/5 stehen im Abnahmebereich abgestellt. Der U-Bahnzug wird auf der Straße zur U-Bahnwerkstatt Friedrichsfelde überführt werden, während die Fahrzeuge der BR 277 bald mit dem "Jumbo" auf Probefahrt gehen werden.

278 105 im Raw Schöneweide

1989/90 wurde der "Jumbo" 278 105 im Rahmen einer T7 fast vollständig neu aufgebaut. Neben Drehgestellen der BR 275 erhielt der Triebwagen ein neues Stahldach und die Technik wurde vollständig umgebaut. Der Zug konnte in seinem letzten Bauzustand neben den "normalen" Fahrzeugen aller Altbaureihen der Berliner S-Bahn auch die BR 276.1 mit 110V-Steuerung und KE-Bremse fahren und bremsen.
Für eine geplante erneute Modernisierung der BR 277 wurden im Jumbo diverse Komponenten erprobt. Aus diesem Grunde erhielt der Triebwagen als einziges Altbaufahrzeug der Berliner S-Bahn die Farbgebung der Neubaufahrzeuge der BR 270. Mit Entfall der Altfahrzeugunterhaltung verlor der "Jumbo" sein Aufgabengebiet und wurde 2004 abgestellt und ausgemustert. Das Fahrzeug wird von der Historischen S-Bahn in Berlin zusammen mit der BSW-Gruppe
Bahnstromanlagen S-Bahn erhalten.

es 5447 und es 6121 im Raw Schöneweide

Hier die beiden blauen Abteile der historischen Stadtbahner. Das hier gerade eine Woche abgenommene Beiwagenviertel wurde noch bis 2006 betriebsfähig erhalten, ehe es zugunsten einer Reduzierung des betriebsfähigen Fahrzeugparks der historischen Fahrzeuge abgestellt wurde. Der Museumszug 2303/5447 – hier rechts im Bild der Steuerwagen 5447 – erhielt zwar 2007 nochmals eine Hauptuntersuchung, musste aber im Zuge der Instandhaltungsmängel bei der Berliner S-Bahn (von denen das Fahrzeug selbst auch betroffen ist) abgestellt werden und stand einige Jahre im Freien, was am Fahrzeug mit seinen vielen Holzteilen zu schweren Schäden geführt hat. Eine Wiederinbetriebnahme des 1987 fertiggestellten Museumszuges ist leider auch mittelfristig nicht absehbar.

277 293 im Raw Schöneweide

Geschichte schrieb der "Bernauer Flieger" 277 293, welcher am 24. September 1989 im Bf Bernau ungebremst über den Gleisabschluss hinausfuhr, die Lücke zwischen Bahndammende und Bahnhofsgebäude übersprang und im Bahnhofsgebäude einschlug, das erste Drehgestell landete in der Fahrkartenausgabe. Der 277 293 wurde nach diesem Unfall zum EIII/5-Triebwagen 105 180 "umgebaut" und durch den lange Jahre abgestellten 277 221 ersetzt.

277 221 im Raw Schöneweide

Bei der Deutschen Reichsbahn waren nicht betriebsfähige Fahrzeuge trotz fehlender Instandsetzungsabsicht oft jahrelang abgestellt vorhanden. Manches Fahrzeug war Ersatzteillager und wurde zunehmend geplündert, manches Fahrzeug wurde später zum Großersatzteil. Dies traf auf den lange Jahre abgestellten nicht modernisierten 277 221 zu, welcher noch in den alten Berliner Farben auf sein weiteres Schicksal wartete. Durch den Unfall des 277 293 in Bernau zahlte sich die Praxis der Deutschen Reichsbahn aus und der Wagen wurde 1990 einer neuen Verwendung zugeführt. Nach Modernisierung kam das Fahrzeug fortan als 277 293II zum Einsatz. Der Beiwagen 277 222 wurde wie der Bernauer Flieger zum EIII/5 155 181 umgebaut – was sich in der Praxis aber nur auf die Nummer bezog, die alten Drehgestelle der unmodernisierten 277 waren ohnehin nicht mehr verwendbar.

BR 277 im Raw Schöneweide

Auch der "normale" Alltag fand statt, wenn auch die bisherigen Fotos in die Vielfalt der Eigenarten des Raw Schöneweide abtauchten. Links ein Viertelzug der BR 277, rechts die Werklok 1 des Raw Schöneweide.

Werklok 1 des Raw Schöneweide

Die Werklok 1 des Raw Schöneweide verließ in den letzten Jahrzehnten das Raw nicht mehr, die früher als E 176 11 bezeichnete und 1933 gebaute Zweikraftlok (Akku/Stromschiene) war hier für den werksinternen Verschub zuständig. Mit einem zu Verschubzwecken umgebauten Altdrehgestell gekuppelt steht sie am 5. Mai 1990 im Werk Schöneweide zur Wochenendruhe abgestellt. 1999 wurde die Lok umfangreich modernisiert, erhielt einen neuen Aufbau und ist seitdem in Verkehrsrot lackiert.

275 645 im Raw Schöneweide

Der 275 645/646 war durch die Neubaufahrzeuge der BR 270 überzählig geworden und zum Umbau zum Materialzug (S-Bahn-Güterzug) nach Schöneweide gekommen. Als erstes wieder in den alten Berliner Farben lackiertes Fahrzeug verließ der nun als 278 103/104 bezeichnete Zug zusammen mit dem zugehörigen zweiten Viertelzug 278 101/102 im Herbst 1990 wieder das Werk Schöneweide und kam rund 11 Jahre als Materialzug zum Einsatz.
2002 wurde der Halbzug an einen privaten Sammler verkauft, der die Fahrzeuge jedoch nicht erhalten konnte. Plünderungen durch Altmetalldiebe und durch sogenannte "Fans", die Originalteile sammelten und zum Teil verkauften sowie die Freiluftabstellung der zuletzt riesigen Fahrzeugsammlung sorgten dafür, dass alle Fahrzeuge des Sammlers im März 2008 in Althüttendorf zerlegt wurden.

BR 277 im Raw Schöneweide

Zur Zerlegung vorbereitet war am 5. Mai 1990 dieser Halbzug der BR 277, zu dem mir allerdings nähere Angaben fehlen. Dahinter ein ausgemusterter Stadtbahnertriebwagen und diverse Kleinprofilwagenkästen der BVB.

126 566 im Raw Schöneweide

Das Raw Schöneweide hatte auch nach Aufgabe des Altwageneinsatzes bei den BVB diverse Fahrzeuge der Bauarten AI und AII im Werk stehen. Für Bahndienstzwecke benötigte die BVB noch zahlreiche Altfahrzeuge, sei es für Rangierzwecke, Arbeitszugzwecke oder als Stromwagen.
Den AIU-Triebwagen 126 566 (ehemals Tw 285) mit seinen noch originalen Stirnleuchten baute das Raw Schöneweide 1991 zum Arbeitszugtriebwagen 710 014II um, welcher dann immerhin noch zwei Jahre zum Einsatz kam, ehe der Wagen 1993 verschrottet wurde.

710 014 im Raw Schöneweide

Sein Vorgänger, der 710 014I, hatte im Mai 1990 bereits ausgedient – der frühere AI-Triebwagen 267 (später 125 442) diente seit 1982 als Rangiertriebwagen.

712 016 im Raw Schöneweide

Der 712 016 diente seit 1974 als Rangiertriebwagen und war aus dem AII-Triebwagen 378 (später 127 620) umgebaut worden. Der Wagen hatte als AII-Triebwagen eine Hochbahnkupplung, d.h. Bolzenkupplung, erhalten und konnte daher mit den AI-Triebwagen gekuppelt werden. Leider ist dies hier nur anflugsweise zu erkennen, er ist hier mit dem AIU-Triebwagen 126 566 gekuppelt.

128 716 im Raw Schöneweide

Der AIIU-Triebwagen 128 716 (ehemals Tw 308) kam 1972 von der BVG zu den BVB, nachdem am Alexanderplatz durch einen Großbrand zahlreiche Kleinprofilfahrzeuge verbrannt waren. Durch den Einbau moderner Schaltpulte der A3-Triebwagen hatte die BVG die Frontpartie der A2-Triebwagen mittels herunter gezogener Frontscheiben modernisiert. Der 128 716 hatte die neuen Hauptstadtfarben nicht mehr erhalten und wartete auf sein weiteres Schicksal, was in seinem Fall die Zerlegung war.

110 315 im Raw Schöneweide

Da die Deutsche Reichsbahn in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre die verbliebenen Stadtbahner aufgrund ausbleibender Lieferung von Neubaufahrzeugen nicht entbehren konnte, mussten sich die BVB anderweitig umsehen, um für ihre Neubaustrecke nach Hönow genug Fahrzeuge zu haben. Nachdem ein Besuch in Hamburg – wo man Abnehmer für die zur Ausmusterung stehenden DT1 suchte – nicht erfolgreich war, einigte man sich mit der BVG im Westteil Berlins. Im Frühjahr 1988 wechselten nach einem vorherigen Umbau insgesamt 50 Züge der Bauart D das Netz und gingen zu den BVB, wo sie fortan als Bauart DI bezeichnet wurden. Auch auf diese Bauart sollte sich das Raw Schöneweide einstellen – dazu kam es aber nicht mehr, der zur Instandsetzung und geplanten Probezerlegung hier weilende DI 110 314/315 war das einzige Fahrzeug dieser Bauart im Raw Schöneweide. Nach dem Mauerfall übernahm die BVG die weitere Instandhaltung, sie setzte diverse DI-Wagen nach ihrem teilweisem Rückbau auch wieder im Westnetz ein. Im April 1999 wurde das Fahrzeug nach Nord-Korea abgegeben, wo es im Pjöngjanger U-Bahnnetz eingesetzt wird.

Von der Fahrt gibt es bei YouTube drei Videos: Fahrt 1.Teil, Fahrt 2. Teil und Raw-Besichtigung. Man sieht beim Betrachten der Videos, dass damals in Schöneweide weit mehr zu sehen war, als auf den Bildern zu sehen – alles zu machen ging damals einfach nicht. Wir sahen damals schon mehr, als eigentlich seitens der Besuchergruppenleitung geplant.

Zur Übersicht © 2012 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben