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Montag, 9. Dezember 2019
– Fata Morgana am Bahnhof Ostkreuz
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Am frühen Morgen des 9.
Dezember 2019 konnte man am Bahnhof Ostkreuz dem Eindruck einer Fata
Morgana
erliegen. Auf den ersten Blick fährt wie selbstverständlich
ein Vollzug der BR 476.0 in den denkmalgeschützten
und
Ende 2018 nach 13-jährigem Neubau unter rollendem Rad weitgehend
fertiggestellten Bahnhof ein.
Der Betrachter reibt sich die Augen, gibt es doch seit 19 Jahren im
Betriebsbestand keine Züge der BR 476/876 mehr,
nur einen museal erhaltenen Viertelzug der als Abart mit 110V-Steuerung
und KE-Bremse ausgestatteten Reihe 476.0. Der
Bahnhof Ostkreuz (unten) ist
mit dem Zugbeeinflussungssystem
S-Bahn Berlin (ZBS) ausgestattet, welches derzeit fahrzeugseitig
nur bei Fahrzeugen der BR 481 installiert ist und hier die
Fahrzeugvielfalt auf diese eine Baureihe eindampft.
Der Betrieb mit historischen S-Bahnzügen ruht in Berlin seit dem
Frühjahr 2009, nachdem der EB 165 471 am 14. Juni 2008 im Bahnhof
Friedrichstraße
entgleiste und technische Mängel am Zug dafür ursächlich
waren. War
zunächst die Überarbeitung der anderen
historischen Fahrzeuge
geplant, glitt die Berliner S-Bahn wenige Wochen danach in die
schwerste Krise ihrer Geschichte und das Unternehmen S-Bahn Berlin
GmbH stand aufgrund gravierender Wartungsmängel und Manipulationen
vor dem Entzug der EVU-Lizenz – zeitweise waren nur noch 165
Viertelzüge der S-Bahn Berlin einsatzfähig und zahlreiche
Strecken über
Wochen stillgelegt.
Für historische Fahrzeuge war danach kein Platz mehr, alle
historischen Züge und die Panorama-S-Bahn wurden aus dem
Fahrgastbetrieb zurückgezogen.
Der Verein Historische S-Bahn e.V.
(HiSB)
arbeitet seit Jahren an der Hauptuntersuchung des vereinseigenen
Halbzuges der Reihe ET/EB 167, doch gestaltet sich diese aufgrund
zahlreicher neu anzufertigender Teile und nötiger Zuarbeit der
S-Bahn
Berlin langwierig – mit der aktuellen Ausrüstung des ET/EB
167-Halbzuges ist zudem nur ein Betrieb auf dem Teilnetz Ring bis
Ende 2023 möglich, da nur hier bis dahin noch die
mechanische Fahrsperre Anwendung findet. Den wichtigsten Schritt zur
Wiederaufnahme des historischen Betriebes hat der Verein bereits
geschafft, er ist als EVU zugelassen worden und darf
seit 2016 eigenverantwortlich Betrieb auf dem Netz der Berliner S-Bahn
durchführen.
Aus Platzgründen waren vier Viertelzüge rund zwei Jahre vom
Vereinsstandort Erkner nach Friedrichsfelde ausgelagert, welche heute
zurück nach Erkner gebracht werden sollten. Nachdem alle
erforderlichen
Genehmigungen für eine Fahrt des Vollzuges mit eigener Kraft von
Lichtenberg nach
Erkner vorlagen, konnte die Illusion Wirklichkeit werden.
476/876 002 fährt mit 477/877 602, esT 2303/5447, ET 165 471
und ES
165 231 in den Bahnhof Ostkreuz ein. Mit großer
Wahrscheinlichkeit wird
der 476/876 002 nicht noch einmal im Netz mit eigener Kraft unterwegs
sein und mangels geeigneter Fahrzeuge für Fahrten im Zugverband
schon
gar nicht als Vollzug. So ist dieses Foto ein einmaliges Zeitdokument
in einem legendären Bahnhof – selbstverständlich
wirkend, aber eisenbahngeschichtlich eine Fata Morgana.
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Am anderen Zugende befand sich ES
165 231, welcher zuletzt 2013 anlässlich eines Dampflokfestes in
Schöneweide im Netz verkehrte. Der passende Triebwagen ET 165 231
wurde
nach dem
endgültigen
Fristablauf gegen den 2009 verunglückten, aber unbeschädigten
ET 165
471 getauscht und der ET 165 231 zum Verkauf angeboten. Hier steht
ES 165 231 mit ET 165 471, esT 2303/5447, 477/877 602 und 476/876 002
zur Abfahrt nach Erkner bereit. Entsprechend der 1. Fahrt des EVU
Historische S-Bahn mit historischen Zügen trug der ES 165 231 das
Logo
des Vereins auf der Front. Vom einst morbiden alten Bahnhof Ostkreuz
ist
nichts geblieben, die Unterquerung der Ringbahn ist ein schmuckloses
Zweckbauwerk.
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Seit 2009
ist das über 80 Jahre lang allerorten in Berlin zu hörende,
charakteristische
Fahrgeräusch der Berliner S-Bahn verstummt.
Einzig zwei zu Hilfs- oder Reinigungszwecken dienende Viertelzüge
sind derzeit noch betriebsbereit, der Staubsaugerzug der Fa. Wiebe
konnte im April 2018 im Bahnhof
Olympiastadion ausnahmsweise einmal am Tage
erlebt werden.
Fotos sind stumm – bewegte Bilder fangen die Atmosphäre für
Augen und
Ohren ein, so dass diese einmalige Ausfahrt aus dem Bahnhof Ostkreuz im
Video festgehalten sein wollte.
Auch auf lange Sicht wird kein „Stadtbahner“ mehr im Netz verkehren.
Der bis 1987 von der Deutschen Reichsbahn aufwendig hergerichtete
Museumszug esT 2303/5447 (im
Zugverband an zweiter Stelle) hat durch die lange Standzeit im
Freien schwere Schäden an den Holztüren davongetragen, so
dass von
den Stadtbahnern das frühere BVG-Viertel 475/875
605
die besten Chancen hat, langfristig wieder betriebsfähig zu werden
–
wenn es finanziell und logistisch möglich ist. Zuvor muss der
Verein
jedoch den Halbzug der Reihe ET/EB 167 fertigstellen und das Problem
der ab 2024 auf dem Gesamtnetz verbindlich vorgeschriebenen ZBS
lösen –
den Aktiven des Vereins dabei viel Erfolg und dankeschön für
das
Ermöglichen des Einfangens dieser im Jahr 2019 absolut unwirklich
gewordenen Szenerie.
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Fotos
in Google Earth |
©
2019 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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